Fall 49: Facebook, der „Hassredner“ Heinrich Heine und wie unterschiedlich die Landgerichte in Stralsund und Erfurt agieren

„Im ‚Land der Dichter und Denker‘ geraten jetzt auch deutsche Klassiker ins Visier der Zensoren. Zumindest auf Facebook, der weltweit größten Internetplattform,“ schreibt die Bild-Zeitung am 12.04.2021 über eine von uns in Stralsund erhobene Klage. Wer glaubt, dass das ein Versehen, ein Einzelfall war, unterliegt einem Irrtum. Die Sache in Stralsund ist in Fall 34 geschildert. Die Klage dort wurde bereits im Oktober 2020 erhoben und das dortige Landgericht ist bislang vornehmlich durch das Bestreben auffällig geworden, sich der Sache möglichst zur Verweisung an das Amtsgericht zu entledigen. Tatsächlich ist nun Termin auf den 07.07.2021 anberaumt. Dass es auch ganz anders geht, zeigt die 3. Zivilkammer des LG Erfurt. Streitig ist dort das identische, authentische Heine-Zitat.

Das Landgericht Erfurt erließ kurz nach Löschung der Zitatekachel am 03.05.2021 eine einstweilige Verfügung gegen Facebook. Die Löschung wurde untersagt, die Sperre wurde verboten. Warum bekommt ein Nutzer im Zuständigkeitsbereich des Thüringischen Oberlandesgerichts gerichtliche Hilfe und warum muss ein anderer, der genau dasselbe veröffentlicht hat, Jahre auf diese Hilfe warten, nur weil er im Bezirk des OLG Rostock wohnt? Einige wenige Oberlandesgerichte in Deutschland (Hamburg, Frankfurt, Hamm) verweigern einstweilige Verfügungen, weil die Sache nicht dringlich sei. Man könne ja klagen und bekomme sein Posting dann in zwei oder drei Jahren wiederhergestellt. Faktisch ist das nichts anderes, als die Verweigerung staatlichen Rechtsschutzes. Denn wer klagt schon, wenn er in drei Jahren vielleicht Recht bekommt? Das ist ein Freibrief für die Willkür der IT-Riesen. Und ein drastischer Standortnachteil für Nutzer, die auf soziale Medien angewiesen sind. Wer diese gar beruflich wirklich braucht, ist gut beraten, aus den Zuständigkeitsbereichen der genannten Oberlandesgerichte wegzuziehen. Die Rechtsprechung ist ein tatsächlicher Standortnachteil. Warum ich in Fall 34 geklagte habe? Die Rechtsprechung des OLG Rostock ist in dieser Frage ist unklar. Eilverfahren könnten also, obwohl man in der Sache Recht hat, zu einer Prozeßniederlage rein aus prozessualen Gründen führen. Daher wurde dort der sicherere Weg beschritten. Es ist beklagenswert, wie durch diese, einstweilige Verfügungen verweigernde Rechtsprechung, den Nutzern praktisch die kalte Schulter gezeigt wird. Glücklicherweise sind es nur einige wenige OLG-Bezirke, die auf diesem Standpunkt stehen und die wir hoffentlich noch „drehen“ können.

Das sogar Blogs mit Millionenreichweite wie „Die Achse des Guten“ wegen dieses Zitats von Facebook sanktioniert wurde, wird noch separt thematisiert werden.

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