Fall 12: Markus Hibbeler vs Facebook, rechtswidrige Sperre wg. Islamkritik, LG Oldenburg/OLG Oldenburg

UPDATE: Einstweilige Verfügung rechtskräftig. Facebook Ireland Ltd. erkennt das Verbot am 09.08.2019 als endgültige Regelung an. Es ist damit rechtskräftig. Danke an die Unterstützer von „Meinungsfreiheit im Netz“.

UPDATE: Wichtiger Präzedenzfall für den gesamten Oberlandesgerichtsbezirk. OLG Oldenburg erlässt auf unser Rechtsmittel am 01.07.2019 beantragte einstweilige Verfügung. Siehe unten 1 e. DANKE an die Spender. Ohne Sie gäbe es dieses Urteil nicht!

1. Es ist nicht das erste Mal, dass Markus Hibbeler von uns gegen Facebook vertreten wird. Über den ersten Fall, der ohne gerichtliche Hilfe gelöst werden konnte, wurde national und international berichtet.

Mitte April 2019 wurde Hibbeler erneut von Facebook gesperrt und sein Beitrag gelöscht, in dem er einen Funktionär des Zentralrats der Muslime (ZMD) kritisiert, der es sich zur Aufgabe gemacht habe, Apostaten und Kritiker zu diffamieren. Ein  solches Verhalten sei, so Hibbeler, bei einem ZMD-Funktionär kaum überraschend, im ZMD seien neben „Muslimbrüdern, türkischen Faschisten auch Repräsentanten des iranischen Terror-Regimes vertreten“, die sich hinter einer legalen Maske versteckten.

Wir halten die Löschung und die Sperre, die Facebook trotz Beschwerde aufrechterhielt, für rechtswidrig, da der Beitrag eindeutig von der Meinungsfreiheit gedeckt ist.

 2. Für den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung ist das LG Oldenburg und als Rechtsmittelinstanz das OLG Oldenburg zuständig. Das zuständige Landgericht hat den Verfügungsantrag im ersten Anlauf mit der greifbar abwegigen Begründung zurückgewiesen, der betreffende ZMD-Funktionär werde durch den Ausdruck „feige“ in seiner Ehre verletzt, auch sei ehrenrührig, daß der Funktionär in die Nähe von „türkischen Faschisten“ und „Vertretern des iranischen Terror-Regimes“ gerückt werde. Davon kann keine Rede sein:

a) Im Bayerischen Verfassungsschutzbericht heißt es über ein Mitglied des ZMD, die IGD:

„Die IGD versucht durch politisches Engagement in Deutschland ihre von der Ideologie der Muslimbruderschaft (MB) geprägten Ziele zu erreichen. Die Anhänger der IGD sind bemüht, ihre Verbindung zur MB in öffentlichen Verlautbarungen nicht zum Ausdruck zu bringen. Die Bestrebungen der IGD richten sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland.

b) Mitglied des ZMD ist ferner die „Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa e.V.“ (ATIB). Die ATIB spaltete sich 1987 von Mitgliedsvereinen der „Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland (ADÜTDF)“ ab. Diese ADÜTDF ist wiederum eine Tochterorganisation der rechtsextremen türkischen Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP).

Der Politik- und Sozialwissenschaftler Kemal Bozay beschreibt das Spektrum der ATIB für die „Bundeszentrale für politische Bildung“ wie folgt:

„Im Zuge der politischen Verflechtungen sind in Deutschland auch türkisch rechtsnationalistische Verbände wie ATB (Europäisch-Türkische Union) und ATIB (Türkisch Islamische Union Europa) entstanden, die sich mehr als islamisch orientierter Flügel der ‚Grauen Wölfe‘ verstehen. Bundesweit unterhalten Türk Federasyon, ATIB und ATB gemeinsam ungefähr 303 Lokalitäten und sind mit mindestens 18.500 Mitgliedern die stärksten rechtsextremen Organisationen in Deutschland – noch vor der NPD mit rund 5000 Mitgliedern.“

c) Anlässlich der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts äußerten Hamburgs Innensenator Andy Grote und der Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV), Torsten Voß, über das IZH, das Mitglied des ZMD ist:

„Neben den extremistischen Salafisten sind weitere islamistische Bestrebungen in Hamburg aktiv. So steht die an der Außenalster gelegene, als sogenannte ‚Blaue Moschee‘ bekannte, schiitische ‚Imam-Ali-Moschee‘ weiterhin im Fokus des Verfassungsschutzes. Trägerverein dieses Brückenkopfes des iranischen Regimes nach Deutschland und Europa ist das ‚Islamische Zentrum Hamburg‘ (IZH).“

Vor diesem Hintergrund ist der mit der sofortigen Beschwerde angefochtene Beschluß grob rechtsirrig. Das Landgericht kann seinen eigenen Beschluß korrigieren. Sonst muss es die Rechtssache dem zuständigen Senat des OLG Oldenburg vorlegen.

d) Das Landgericht hat dem Rechtsmittel nicht stattgegeben und die Sache dem OLG Oldenburg vorgelegt. In einer an die Parteien gerichteten Verfügung heißt es:

„Vorbereitend weist der Senat darauf hin, dass der Antrag auf einstweilige Verfugung im Ergebnis Erfolg haben dürfte.“

 Wir dürfen also optimistisch sein, die Messe ist jedoch erst nach der Verhandlung gelesen. Und wir rechnen heute noch mit einem ein-, bis zweipfündigen Schriftsatz (Beispiele im Foto) von Facebook.

Die öffentliche Verhandlung vor dem 13. Zivilsenat des OLG Oldenburg findet statt am 25.06.2019, 14.00 Uhr, Saal I, Richard-Wagner-Platz 1, 26135 Oldenburg.

e) Auf unser Rechtsmittel hat das OLG Oldenburg (13 W 16/19) am 01.07.2019 die beantragte einstweilige Verfügung erlassen. Diese Entscheidung ist über den Einzelfall hinaus deswegen von Bedeutung, weil sich alle Nutzer, die im Einzugsbereich des OLG Oldenburg wohnen, auf diesen Präzedenzfall werden berufen können. Genau das ist es, was wir mit dem Fonds „Meinungsfreiheit im Netz“ erreichen wollen. Das OLG Oldenburg führt u.a. aus:

„…dass bei der Auslegung der Gemeinschaftsstandards von Facebook auch die jeweiligen Grundrechte zu beachten sind….Für die Beklagte Betreiberin des sozialen Netzwerks Facebook.com bedeutet dies, dass es mit dem gebotenen Ausglelch der kollidierenden Grundrechtspositionen nicht vereinbar wäre, wenn die Beklagte, gestützt auf ein ‚virtuelles Hausrecht‘..den Beitrag eines Nutzers auch dann löschen dürfte, wenn der Beitrag im konkreten Fall die Grenzen zulässiger Meinungsäußerung nicht überschreitet (vgl. OLG München, Beschluss vom 24.08.2018 — 18W 1294/18)“. Die zitierte Entscheidung des OLG München wurde ebenfalls von uns erstritten.

Manche Gerichte, zB verschiedene Kammern des LG Hamburg, stehen offenbar auf dem Standpunkt, man dürfe nicht im Eilverfahren vorgehen, sondern müsse klagen. Und jahrelang auf die Beantwortung der Frage warten, ob zu Recht gelöscht wurde, ober ob nicht. Wir halten diese Rechtsauffassung, mit verschiedenen Oberlandesgerichten für schlechtin unvertretbar. Auch der 13. Zivilsenat des OLG Oldenburg hat sich jetzt, wie wir finden, auf die „richtige“ Seite gestellt und deutlich gemacht:

„Hier bliebe es dem Kläger, wenn man eine Dringlichkeit vemeinen würde, auf Iängere Zeit verwehrt, sich in zulässiger Weise auf seinem Facebookprofil politisch und kritisch zu äußern. Das bis zum Ende eines Hauptsacheverfahrens hinnehmen zu müssen, würde nach Auffassung des Senats elnen derart schweren Eingriff in die grundrechtlich geschützte Meinungsfreiheit des Klägers bedeuten, dass ein dringendes Handlungsbedürfnis besteht, dies such schon im Wege einer einstweiligen Verfügung zu regeln.“

 

 

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