Sehr geehrte Damen und Herren,
vor etwa einem Jahr haben wir Sie angeschrieben, als der Fonds „Meinungsfreiheit im Netz“ ins Leben gerufen wurde. Anlass war die Löschung der Bundestagspetition zur „Erklärung 2018“ durch Facebook als Hassrede. Mit Ihrer Hilfe haben wir nicht nur Facebook verklagen können und eine einstweilige Verfügung erwirkt, wir haben auch erhebliche mediale Aufmerksamkeit erreicht. Wenn Leitmedien wie die „FAZ“ nach Besuch der Gerichtsverhandlung zu dem Ergebnis kommen „Facebook löscht mit politischer Schlagseite“, dann schafft das öffentliches Bewusstsein für die Befangenheit des Netzwerks und macht Nutzern gleichzeitig deutlich, dass sie ihre Meinungsfreiheit vor Gericht gegen IT-Riesen mit Erfolg durchsetzen können. Um diese Arbeit fortsetzen zu können, bitten wir nach einem Jahr erfolgreicher Tätigkeit erneut um Ihre finanzielle Unterstützung.
Der Fonds hat in diversen Fällen erfolgreich prozessiert. Eine komplette Übersicht finden Sie hier. Beispiele:
Facebook blockierte das Posten eines Links des Nachrichtenmagazins „Focus“. Dieser Eingriff in die Pressefreiheit wurde mit einstweiliger Verfügung des LG Dresden untersagt.
Facebook löschte einen Artikel der „Jüdischen Rundschau“ als Hassrede. Ein weiterer Eingriff in die Pressefreiheit, den das LG Köln verboten hat.
Ein Nutzer zitierte die Schlagzeile der Bild-Zeitung, „Hassrede“, 30 Tage Sperre, einstweilige Verfügung des LG Bonn.
Und dann stellt sich der CDU-Abgeordnete Carsten Müller zum Thema NetzDG ans Rednerpult des Bundestages und behauptet, „dass die Meinungsfreiheit überhaupt nicht eingeschränkt worden ist, dass es kein Overblocking gibt“, und stellt damit die Realität in den sozialen Medien vorsätzlich falsch dar. Denn zeitgleich löschte Facebook einen fünfminütigen Ausschnitt aus der in der ARD ausgestrahlten Serie „Entweder Broder – Die Deutschland-Safari“ für die Henryk M. Broder und Hamed Abdel-Samad 2012 in der Kategorie Reporter den Bayerischen Fernsehpreis gewannen. Dieses Posting wurde von Facebook als „Hassrede“ eingestuft und gelöscht, der Nutzer für 30 Tage gesperrt. Im Prozess verteidigte sich Facebook tatsächlich damit, es handele sich um eine Verspottung und Verharmlosung des Holocaust und seiner Opfer durch Henryk M. Broder, dessen Eltern Buchenwald bzw. Auschwitz überlebt haben.
Auch gegen diesen Skandal sind wir mit dem Fonds „Meinungsfreiheit im Netz“ erfolgreich vorgegangen, Facebook wurde diese Löschung und die Nutzersperre rechtskräftig verboten (LG Stuttgart).
Wir haben außerdem den Staatsminister im Auswärtigen Amt, Niels Annen (SPD), und das Außenministerium erfolgreich abgemahnt, als sie einen Journalisten der „Jerusalem Post“ auf Twitter sperrten. Die Sperre wurde aufgehoben.
Bild, Süddeutsche, Jerusalem Post, FAZ (Print), Meedia u.a. berichteten.
Auch wenn das alles ernste Themen sind, so hatte das Ganze auch immer wieder einen gewissen Unterhaltungswert. Zum Beispiel, als wir Verbindlichkeiten von Facebook aus verlorenen Prozessen auf den Konten von CDU und SPD pfändeten. Die FAZ schrieb dazu:
„Joachim Steinhöfel ist für forsches Auftreten und eine kreative Ader bekannt. Der…Jurist hat mit dieser Kombination nun nicht nur Facebook vorgeführt, sondern auch gleich die Regierungsparteien am Nasenring gepackt: Weil Facebook als beklagte Partei die Gerichtskosten aus einem vorangegangenen Streitverfahren nicht beglich, pfändete Steinhöfel kurzerhand Forderungen des sozialen Netzwerks gegen politische Parteien.“
Die „Achse des Guten“ feierte den Coup als „schönste Kombination aus Rechtsstaat und Humor seit es das Netzwerkdurchsetzungsgesetz gibt“.
Und der Mitautor der „Erklärung 2018“, Alexander Wendt, notierte in seinem Online-Magazin Publico im Januar 2019: „Die Manager von Facebook Deutschland hätten wahrscheinlich nie geglaubt, dass eine einzelne Person ihnen dermaßen viel Ärger einbrocken könnte. Joachim Nikolaus Steinhöfel zerrt das Unternehmen immer wieder vor Gericht – und gewinnt. Er klagt Sperren gegen Facebook-Nutzer weg, die zwar nicht gegen Gesetze verstoßen, aber wegen ihrer politischen Tendenz aus dem Netzwerk gesäubert werden. Mit seinen Prozessen zermürbt der Hamburger Jurist Stück für Stück Heiko Maas’ Netzwerkdurchsetzungsgesetz.“
Die sogenannten „Gemeinschaftsstandards“ entwickeln sich zu einer Art supranationalem Recht, das über unserem Art. 5 Grundgesetz (Meinungs- und Pressefreiheit) rangiert. Geschaffen von der IT-Aristokratie im Silicon Valley, den weltweit zuständigen Wächtern über „Hate Speech“. Personen, die sich für offenbar moralisch so überlegen halten, dass sie sich ohne jede demokratische Legitimation anmaßen, die Wächter über die Kommunikationsgewohnheiten von 7 Milliarden Menschen zu sein.
Es sei denn, wir wehren uns gemeinsam. Darum bitten wir Sie heute, ein Jahr nach unserem ersten Aufruf, noch einmal um ihre finanzielle Unterstützung für den Fonds.
Wir haben bislang – gemeinsam – wichtige Erfolge errungen. Aber der Kampf geht weiter. So läuft aktuell die Hauptsacheklage in Sachen „Erklärung 2018“ vor dem Landgericht Bamberg, wo Facebook sich weigerte, die einstweilige Verfügung anzuerkennen und mit einer Klagerwiderung von ca. 800 Seiten aufwartete.
Wir danken Ihnen herzlich für Ihre Unterstützung, ohne die das alles nicht möglich gewesen wäre!
Vera Lengsfeld, Henryk M. Broder, Alexander Wendt und Joachim Nikolaus Steinhöfel, September 2019