Fall 26: Ali Utlu / Twitter – Sperre ohne den sanktionsauslösenden Inhalt mitzuteilen

A) Utlu wurde 2012 Politker für die Piratenpartei und setzt sich als homosexueller ex-Muslim und Atheist für Menschenrechte ein. Er ist ein bekannter Religions- und Islamkritiker und Mitglied im Zentralrat der Ex-Muslime. Seine islamkritische Haltung setzt ihn einer Vielzahl von nicht nur verbalen Angriffen, sondern auch Denunziationsjagden in den sozialen Medien aus, die zu ungerechtfertigten Sperren führen. Utlu stand unter Polizeischutz.

Utlu betreibt den Twitter-Account @AliCologne. Am 26.12.2019 hat Twitter seinen Account für sieben Tage gesperrt und dazu lediglich angegeben: „Wir haben festgestellt, dass Du gegen die Twitter-Regeln verstößt.“ Wann und mit welchem Tweet das geschehen sein soll, blieb offen.

B) Der bloße Hinweis, es liege ein Verstoß vor, ist ersichtlich keine hinreichende Information des Nutzers. Das Unterlassen dieses Hinweises ist reine Willkür. Warum Twitter so verfährt, sieht man von mutmaßlich auch hier vorliegenden organisatorischen Insuffizienzen ab, erläutert das Unternehmen nicht. Dem Nutzer wird die Information vorenthalten, welcher Inhalt die Sanktion ausgelöst hat.

Diese Mitteilung soll aber sicherstellen, dass ein Nutzer, der gegen die Entfernung oder Sperrung eines für ihn gespeicherten Inhalts vorgehen will, die geeigneten rechtlichen Schritte zur Wahrung seines Rechts auf Meinungsfreiheit zeitnah einleiten kann. Fehlt diese vollständige Darlegung, verwehrt Twitter dem Nutzer die Möglichkeit, seine Grundrechte gfs mit gerichtlicher Hilfe durchzusetzen.

C) Wir haben Twitter am 02.01.2020 mit Frist zum 09.01.2020 abgemahnt und erhielten lediglich die Mitteilung „Our team is now in the process of investigating this matter. We appreciate your patience and cooperation and will follow up as soon as possible.“ Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung ist fertig und geht am morgen des 10.01.2020 elektronisch an das Landgericht Köln.

D) Schnelle Arbeit bei der 28. Zivilkammer des LG Köln (Aktenzeichen 28 O 11/20). Am Freitag ging der Antrag an das Gericht, eben, Dienstag, 14.01.2020 Anruf der Geschäftsstelle, die einstweilige Verfügung ist erlassen. Jetzt muss sie in Irland per Einschreiben/Rückschein zugestellt werden, ab dann ist sie von Twitter zu beachten.

E) Nachdem zwischenzeitlich die Hauptsacheklage erhoben wurde hat Twitter am 19.11.2020 die einstweilige Verfügung als endgültige Regelung anerkannt. Das Verbot ist damit rechtskräftig.

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