Fall 72: Broder verklagt Baden-Württemberg und zwingt Bundesland zur Antisemitismusbekämpfung

Im August 2022 war den Medien, u.a. der „Welt“ und der „Zeit“ zu entnehmen, dass die Landesvertretung Baden-Württembergs in Berlin gegenüber dem Verfasser und Henryk M. Broder Unterlassungserklärungen abgegeben hat. Auf Twitter hat das Bundesland behauptet, Broder und ich würden eine „starke Nähe zur AfD“ aufweisen, eine dort geplante Veranstaltung mit dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz (zu dessen Absage vergl. hierhierhierhierhier und hier), dem US-Senator Lindsey Graham und uns sei wegen Teilnahme von Broder und mir geeignet, das „Ansehen der Landesvertretung“ zu beschädigen. Das war selbst für das Land Baden-Württemberg so persönlichkeitsrechtsverletzend und verfassungswidrig, dass man ohne jede Gegenwehr eine Unterlassungserklärung abgab.

Das Bundesland Baden-Württemberg unterwarf sich nicht nur strafbewehrt, es zahlte auch mehrere tausend Euro an Abmahnkosten. Danke schön! Oder auch nicht, denn letztlich zahlt der Steuerzahler die Zeche für diese Fehlleistungen.

Wegen dieser schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzungen klagte Broder vor dem Landgericht Köln auf Geldentschädigung gegen Baden-Württemberg. Der Fall wurde dort im Frühjahr 2023 verhandelt, die Klage wurde abgewiesen. Die Urteilsgründe hielt ich nicht nur für falsch, sie haben mich in hohem Maße enttäuscht und verärgert. Wir haben Rechtsmittel eingelegt.

Ende 2023 fand die Berufungsverhandlung statt, die beinahe gescheitert wäre, weil die Bahn meine Zugverbindung Hamburg-Köln erst am frühen Morgen des Verhandlungstages strich, sodaß die Verhandlung nur durch das professionelle und schnelle Agieren des Pressesenats durch Videozuschaltung gerettet werden konnte.

Die Vorsitzende Richterin Richter (kein Schreibfehler) macht in einer juristisch herausragend-luziden Exegese der Rechtsfragen die Position des Senates klar. Wesentlich für Broder und mich waren die eindeutigen Feststellungen des Senats, dass Seitens des Bundeslandes eine „schuldhafte Pflichtverletzung“ vorgelegen habe, die zu einer „Persönlichkeitsrechtsverletzung [Broders] von erheblichem Gewicht“ geführt habe.

Schließlich wurde ein Vergleich geschlossen. Auf Anregung von Baden-Württemberg bin ich dem Rechtsstreit beigetreten um meine ebenfalls geltend gemachten Geldentschädigungsansprüche mitzuerledigen. Das Land Baden-Württemberg, das ganz gewiss die Feststellungen des Senats nicht auch noch in einem Urteil lesen wollte, hat sich verpflichtet, eine Spende von 5000 Euro an den Verein Keren Hayesod Deutschland Vereinigte Israel Aktion zu zahlen. Wir haben insbesondere auf diesem Empfänger bestanden und hätten den Vergleich auch scheitern lassen, wenn die Zahlung nicht dorthin gelangt wäre. Anfang der Woche hat das Bundesland das Geld überwiesen. Der Betrag komme dort der Aktion der jüdischen Aktivistin Malca Goldstein-Wolf zugunsten verletzter oder der Familien getöteter israelischer Soldaten zugute.

Wenn man die israelischen Soldaten, die im Gaza-Streifen auch den Antisemitismus bekämpfen so unterstützt, hat man vermutlich mehr für die Bekämpfung des Antisemitismus getan, als der umstrittene Beauftragte des Bundeslandes. Den darf man jetzt übrigens mit gerichtlicher Billigung „Sugar-Daddy“ nennen, aber das ist eine andere Geschichte…

„Meinungsfreiheit im Netz“ hat das Verfahren unterstützt.

© Joachim Nikolaus Steinhöfel 2023

 

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