Fall 38: Fall Amed Sherwan / Facebook Ireland Ltd. – Homophobie und Einknicken vor militantem Islam

Der religionskritische Aktivist und Blogger Amed Sherwan postete am 17. Dezember 2020 eine Fotomontage auf Facebook und Instagram. Kurze Zeit nach Veröffentlichung der Fotomontage wurden Sherwans Accounts bei Facebook und Instagram gesperrt.

Die Fotomontage stellt einen Kuss mit dem ägyptischen Atheisten Mohamed Hisham vor der Kaaba dar, die von gläubigen Muslimen als eines der zentralen Heiligtümer des Islam angesehen wird. Wie Amed Sherwan erklärt, handele es sich bei dem Bild um ein Zeichen der Solidarität mit LGBTIQ*-Personen in muslimischen Communitys.

Daraufhin gingen bei ihm massenhaft Beleidigungen und Gewaltandrohungen ein – darunter auch konkrete Morddrohungen. Insbesondere fundamentalistische Muslime riefen in Kommentaren dazu auf, Sherwans Beiträge bei Facebook und Instagram zu melden. Eine große Anzahl dieser Kommentare wurden von Profilen veröffentlicht, die ihren Wohnort in Pakistan angeben. Mittlerweile erhielt der Beitrag auf Facebook ingsgesamt über 4.300 Reaktionen und wurde über 500 mal geteilt (Stand: 5. Januar 2021, 13:15 Uhr).

Die Sache ist vor dem Landgericht Flensburg anhängig. Das Institut für Weltanschauungsrecht (dessen Stellungnahme hier) unterstützt die Bekämpfung von Eingriffen in die Meinungsfreiheit im Netz durch die sozialen Netzwerke und koordiniert den Beitrag der giordano bruno stiftung (deren Stellungnahme hier) zu den Verfahrenkosten. Die giordano Bruno Stiftung trägt 60% der Verfahrenkosten, der Fonds „Meinungsfreiheit im Netz“ 40%.

Am 17.03.2021 wurde vor dem Landgericht Flensburg mündlich verhandelt. Nachem alle Löschungen und Profildeaktivierungen rückgängig gemacht wurden, hat das Landgericht Facebook (Beschluß vom 17.03.20201, 7 O 2/21) die gesamten Kosten des Verfahrens auferlegt.

Lesenswerte und für den Gerichtsbezirk wichtige Passagen aus dem Beschluss sind u.a.:

„Die Verfügungsbeklagte [Facebook] hat im Prozess vielmehr einen nicht unerheblichem Aufwand betrieben, ihre Entscheidung zu rechtfertigen. Sie gesteht zudem eine Fehleinschätzung nicht ein, sondern beharrt auf ihrer Meinung.“

„Anders als die Verfügungsbeklagte meint, kommt ihr gerade kein ‚Ermessen‘ bei der Auslegung oder ein ‚Erstprüfungsrecht‘ auf ’scheinbare Verstöße‘ zu, denn dies würde dazu führen, dass die Bedeutung ggf. von der rein subjektiven Ansicht der Verfügungsbeklagten abhinge… Vielmehr ist für die Ermittlung des Inhalts des Beitrags des Verfügungsklägers, auch mit Blick auf die betroffene Meinungsäußerungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, auf den objektiven Sinn aus der Sicht unvoreingenommener und verständiger Adressaten abzustellen.“

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