Steuergelder für politisch agierende NGOs – Die Bundesregierung mauert. Ein Zwischenbericht über die Absurdität des Kampfes um einfache Fragen
Die Bundesregierung kämpft – allerdings nicht für Transparenz, sondern gegen sie. Wer wissen will, welche Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in welchem Umfang mit Steuergeld gefördert werden, trifft auf eine Mauer aus Ausflüchten, Schutzbehauptungen und juristischen Taschenspielertricks. Die aktuellen Schriftsätze der Bundesregierung in den sieben Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Berlin lesen sich wie ein Kafkaesker Lehrtext über die Kunst der Vernebelung staatlichen Handelns.
Das Unfassbare beginnt mit der zentralen Verteidigungslinie: Die Bundesregierung beruft sich ernsthaft auf das Persönlichkeitsrecht der Zahlungsempfänger. Sprich: Wer vom Steuerzahler lebt, soll sich gegenüber dem Steuerzahler auf Privatsphäre berufen dürfen. Ein Treppenwitz der Rechtsstaatlichkeit – und eine Bankrotterklärung demokratischer Kontrolle. Dass sich die Bundesregierung in einem solchen Verfahren überhaupt auf das Persönlichkeitsrecht von NGOs beruft, zeigt eine beunruhigende Entwicklung: Es geht nicht mehr um Datenschutz. Es geht um Machterhalt durch Informationskontrolle. Um das Wegdelegieren politischer Agenda an staatsnahe Aktivisten – aber bitte ohne lästige Öffentlichkeit. Steuergeld kassieren, aber sich auf Persönlichkeitsrechte berufen, wenn nach Name, Projekt und Betrag gefragt wird? Öffentlich gefördert, aber angeblich privat geschützt? Diese Konstruktion ist nicht nur rechtsdogmatisch abenteuerlich – sie ist ein Frontalangriff auf die demokratische Kontrollfunktion der Presse. Der Bürger soll zahlen, aber nicht wissen, wohin.
Dass NGOs mit Millionenbeträgen aus öffentlichen Kassen gefördert werden, ist politisch gewollt – sie sollen gesellschaftlichen Einfluss entfalten, mediale Debatten prägen, politische Narrative mitgestalten. Doch sobald jemand genauer wissen will, welche Organisation wie viel bekommt, verwandeln sich diese Organisationen in empfindliche Seelen mit Geheimhaltungsbedürfnis. Die Bundesregierung übernimmt deren Sprachregelung gleich mit – und weigert sich in zahlreichen Fällen schlicht offenzulegen, wohin das Geld fließt.
In den insgesamt zwölf Verfahren auf Auskunft, die vor den Verwaltungsgerichten in Berlin und Köln anhängig sind, zeigte sich, wie weit die Bundesregierung geht, um der Offenlegung staatlicher Zahlungsflüsse an ideologisch nahestehende Organisationen zu entgehen. Es wurde nicht etwa inhaltlich geantwortet – sondern die Auskunftsverweigerung mit einer Kaskade von Ausreden und Schutzbehauptungen verteidigt: Die Fragen seien „zu unbestimmt“, das öffentliche Interesse sei „nicht mehr gegeben“, und im Übrigen stünden „Persönlichkeitsrechte“ der Empfänger entgegen. Und wenn gar nichts mehr hilft, verweist man auf Internetseiten mit tausenden Seiten Umfang und erklärt die Informationsbeschaffung kurzerhand zur Bringschuld der Presse.
Dabei ist jede einzelne Frage gerichtsfest formuliert. Die Argumente der Bundesregierung sind so fadenscheinig, wie sie durchschaubar sind. Der Begriff „Nichtregierungsorganisation“ sei zu unklar? Seit Jahrzehnten wird er von Ministerien, Parlamenten und wissenschaftlichen Diensten verwendet – auch in eigenen Publikationen der Bundesregierung. Dass man ihn nun plötzlich für unverständlich erklärt, zeugt von vorsätzlicher Begriffsstutzigkeit.
Der nächste Trick: Der Verweis auf 3433 Seiten Haushaltsunterlagen. Die Presse könne sich die Antworten ja selbst heraussuchen. Das aber widerspricht nicht nur der höchstrichterlichen Rechtsprechung, sondern dem schlichten Prinzip behördlicher Auskunftspflicht. Eine Auskunft, die in einem Dokument versteckt ist, das faktisch unauffindbar bleibt, ist keine.
Gleichzeitig wird behauptet, das Thema sei „nicht mehr aktuell“. Tatsächlich hält die Debatte ungebrochen an – in den Medien, im Parlament, europaweit. Der Europäische Rechnungshof hat gravierende Transparenzdefizite bei der NGO-Förderung gerügt. Das Europäische Parlament hat eine eigene Arbeitsgruppe zur Kontrolle der Mittelvergabe eingerichtet. Auch in Deutschland berichten große Medien wie ZDF, WELT, Süddeutsche Zeitung, taz und Deutschlandfunk regelmäßig über den Vorgang. Das öffentliche Interesse ist nicht gesunken – es ist gestiegen.
Wer Steuergeld entgegennimmt, ist rechenschaftspflichtig – nicht nur rechtlich, sondern vor allem politisch. Wenn der Staat politische Akteure – nichts anderes sind NGOs, die sich aktiv in politische Debatten einbringen – mitfinanziert, hat die Öffentlichkeit ein Recht zu erfahren, wer da mit wessen Geld Einfluss nimmt. Öffentliches Geld, das nicht öffentlich kontrolliert wird, ist der Nährboden von Intransparenz, Klientelpolitik und demokratischer Aushöhlung.
Mit Transparenz hat das, was die von der Union geführte Regierung hier abliefert, nichts zu tun. Mit rechtsstaatlichem Verantwortungsbewusstsein noch weniger. Es ist höchste Zeit, diese selbstgewählte Intransparenz der Bundesregierung nicht länger hinzunehmen – und die politisch-gesellschaftliche Relevanz steuerfinanzierter NGOs der gebotenen nachvollziehbaren Prüfung zu unterziehen. Alles andere heißt: Demokratie auf Widerruf. Daher klagen wir in diesen zwölf Verfahren für NIUS.
Die Bundesregierung will offenbar nicht offenlegen, wie politisch genehme NGOs mit Steuermitteln versorgt werden, um anschließend unabhängig Einfluss auf Öffentlichkeit und Diskurs zu nehmen. Doch genau das ist der Kern des Problems: Wenn Organisationen Dinge tun, die dem Staat aufgrund des Neutralitätsgebots verwehrt sind, aber mit dessen Geld – dann ist Transparenz keine lästige Pflicht, sondern ein demokratisches Gebot.
Wer diese Fragen als lästig oder gar illegitim abtut, dem geht es nicht um die Stärkung zivilgesellschaftlicher Strukturen, sondern um die Immunisierung ideologischer Netzwerke gegen öffentliche Kontrolle. Das Verwaltungsgericht wird nun darüber entscheiden müssen, ob staatliche Stellen die Öffentlichkeit weiterhin mit Nebelgranaten abspeisen dürfen – oder ob das Informationsrecht der Presse nicht doch mehr wiegt als das Wohlgefühl einer Regierung in der Blase der eigenen Förderlandschaft.
Stand: Die Anträge auf Erlass von einstweiligen Anordnungen sind eingereicht, die Bundesregierung hat erwidert, wir haben darauf repliziert. Jetzt müssen die Gerichte entscheiden.
Hier die eher juristische Übersicht:
Status NGO-Auskunftsanträge
Wir haben 12 Verfahren eingeleitet, davon
8 Verfahren vor dem VG Berlin und 4 Verfahren vor dem VG Köln.
Grund: das VG Köln in den Fällen in I. Instanz zuständig, in denen nach dem Bonn/Berlin-Gesetz in Verbindung mit der Sitzentscheidung der Bundesregierung im Jahr 1999 der Hauptsitz der Ministerien in Bonn geblieben ist)
In den Kölner Verfahren steht die Erwiderung der jeweiligen Gegenseite noch aus,
betroffen sind die Verfahren gegen:
- Bundesgesundheitsministerium
- Bundesumweltministerium
- Bundesforschungsministerium
- Bundeslandwirtschaftsministerium
Vor dem VG Berlin sind anhängig die Verfahren gegen folgende Ministerien und den Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration:
- Bundesverkehrsministerium
- Auswärtige Amt
- Bundesinnenministerium
- Bundesfamilienministerium
- Bundesministerium für Arbeit u. Soziales
- Bundesfinanzministerium
- Bundesbauministerium
- Beauftragter der Bundesregierung für Migration und Flüchtlinge
Das Bundesinnenministerium hat um Fristverlängerung gebeten (bis 14.08.2025), die Stellungnahme ging hier am 18.08.2025 gegen Mittag ein.
In den anderen Berliner Verfahren werden die Ministerien und der Beauftragte der BR für Migration und Flüchtlinge von derselben Kanzlei (Redeker) vertreten, die Stellungnahme datiert vom 01.08.2025, FA für unsere Erwiderung ist der 19.08.2025. Die Erwiderung erfolgte am 18.08.2025.
In allen Sachen wird gleichlautend gegen den Auskunftsanspruch eingewendet:
- die Fragen seien unbestimmt; so sei zB unklar, was „Nichtregierungsorganisationen“ sind
- es bestehe kein dringendes Bedürfnis für die verlangten Auskünfte;
- die Fragen dienten überwiegend der „Ausforschung“;
- die Auskunft sei schon erteilt worden;
- die Fragen beträfen überwiegend die Tätigkeit anderer Behörden, man verfüge über diese Information nicht;
- es bestehe kein aktuelles öffentliches Berichtsinteresse;
- die erfragten Informationen seien auch nicht für die Berichterstattung erforderlich.
Zwei Ministerien (das Bundesarbeits- und das Bundesfamilienministerium) wenden zusätzlich ein, aufgrund des notwendigen Schutzes des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der betroffenen Organisationen könne man keine Informationen erteilen.
Weitestgehend umfassende Auskunft wird vom CDU-geführten Auswärtigem Amt erteilt, das zwei Listen aller Empfänger institutioneller und projektbezogener Fördermittel vorlegt (die Listen weisen lediglich in geringem Umfang Schwärzungen auf, was das AA mit der potentiellen Gefährdung außenpolitischer Belange begründet, was nach aktueller Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg gerechtfertigt sein könnte).
Die Frage nach der Höhe der Gesamtausgaben der institutionellen und projektbezogenen Fördermittel für Bündnisse, Vereine, Organisationen und sonstige private Träger im Bereich der Nichtregierungsorganisationen im Jahr 2024 wird von keinem Ministerium beantwortet.
Grund für die Auskunftsverweigerung: Es sei unklar, was unter „Bündnissen, Vereinen, Organisationen und sonstigen privaten Trägern“ und unter „Nichtregierungsorganisation“ zu verstehen sei. Außerdem sei die Frage schon von der früheren Bundesregierung aufgrund der Kleinen Anfrage der CDU/CSU-Fraktion beantwortet worden, außerdem könne man unter www.bundeshaushalt.de selbst nachsehen.
Bisher hat auch keines der Ministerien die Frage nach der Erhöhung oder Kürzung der Förderung der NGO, nach denen von uns gefragt wird beantwortet (Omas gegen Rechts Deutschland e. V., Attac Trägerverein e. V., Amadeu Antonio Stiftung, Peta Deutschland e. V., Animal Rights Watch e. V., Foodwatch e. V., Dezernat Zukunft e. V., Deutsche Umwelthilfe e. V., Agora Agrar gGmbH und Agora Energiewende gGmbH, Greenpeace e. V., BUND e. V., Netzwerk Recherche e. V., Neue deutsche Medienmacher*innen e. V. und Delta1 gGmbH).
Einhellige Begründung jeweils: Das eigene Haus fördere diese Vereine und Organisationen nicht, über die Fördermaßnahmen anderer Ministerien müssten die jeweiligen Ministerien selbst Auskunft geben.
Soweit eine Negativ-Auskunft erteilt wird, erklären wir den Auskunftsantrag für erledigt und beantragen der jeweiligen Gegenseite die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Weitere Fragen sind jedoch noch offen und werden weiterverfolgt.
Ausnahme 1: Das CDU-geführte Auswärtige Amt hat hier teilweise Auskunft erteilt, sodass dort nur eine weitere Frage offen ist
Ausnahme 2: Das SPD-geführte Ministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen trägt vor, man könne nicht beantworten, wer vom eigenen Ministerium in welcher Höhe gefördert werde. Die hauseigene Datenbank sei unvollständig und nicht aussagekräftig. Um zu klären, ob ein bestimmter Träger überhaupt Fördermittel erhalten habe, müsse man alle Bewilligungsbescheide einzeln aus Akten heraussuchen, was unverhältnismäßig sei.
Da das VG Berlin bereits in anderer Sache die Notwendigkeit, eine Vielzahl von Akten einzeln zu kontrollieren, als unverhältnismäßig eingestuft hat (VG Berlin, 27 L 422/24, bestätigt durch OVG Berlin-Brandenburg, OVG 6 S 25/25) und das Verfahren gegen das Bundesbauministerium nur diese eine Frage betrifft (bzgl. der anderen Fragen hat das Ministerium schon vorprozessual erklärt, über keine Erkenntnisse zu verfügen) ist der Rechtsstreit hier sinnvollerweise für erledigt zu erklären.
Joachim Nikolaus Steinhöfel